Meinung und Satire
Rund um die Psyche
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Die große Kunst des Lebens ist zu fühlen, dass wir existieren, selbst im Schmerz.

Ursachen

Generell standen (und stehen mit Einschränkung) bei diesen Störungen in der Psyche begründete Theorien im Vordergrund. Psychische Konflikte werden in das Unbewusste verdrängt, äussern sich dann aber als körperliche Symptome.
So gibt es psychoanalytische Modelle, die psychosomatische Beschwerden mit Störungen in bestimmten Kindheitsphasen verbinden:
Neurodermitis , Asthma bronchiale, Ekzeme werden z.B. mit mangelndem Hautkontakt in der intentionalen Phase (die ersten Lebenswochen), Darmerkrankungen (Entzündungen,Durchfall) mit falscher, zu früher oder prüder Sauberkeitserziehung in der analen Phase (1 1/1 - 3.Lbjhr) verknüpft.

Vor allem bei dissoziativen-/Konversionstörungen aber auch bei den somatoformen Störungen wird ursächlich von einem vorliegendem nicht bewältigbaren Konflikt oder einer starken psych. Belastungssituation ausgegangen. Sowohl frühkindliche Traumen (Verlusterlebnisse, sexuelle Übergriffe, etc.) als auch aktuelle Lebensumstände (z.B.  Todesfälle, Infektionskrankheiten, Scheidung etc.) kommen in Frage. In diesem Zusammenhang wird auch gerne von psychosozialem Stress gesprochen, wenngleich es zu einfach wäre, diese Störungen als reine Stresserkrankung anzusehen.
Häufig wird den körperlichen Symptomen, bevorzugt den Konversionsstörungen, ein starker Symbolcharakter unterstellt. So könnte eine Lähmung der Beine mangelnde Fluchtmöglichkeiten aus einer belastenden Situation oder mangelnde Klarheit darüber, wie es weitergehen soll ausdrücken. Die psychogene Blindheit könnte ausdrücken, das man den zugrundeliegenden Konflikt nicht mehr sehen kann (blind für etwas ist) oder will.

Lerntheoretisch kommt hinzu, das durch die Hinwendung der Aufmerksamkeit auf das Symptom und die damit verbundene Anspannung und Erwartungshaltung das Symptom wiederum verstärkt wird. Die kann zu einem Kreislauf führen mit steter Verstärkung der Symptome und auch Chronifizierung der Beschwerden.
Auch das mit Beginn der Beschwerden oft einsetzende Schonverhalten und die eingeschränkte Aktivität führt letzten Endes wieder zum verstärkten Hineinhorchen in den eigenen Körper. Je reizarmer die Umgebung, desto intensiver wird der eigene Körper mit all seinen “normalen” Unzulänglichkeiten und Veränderungen erlebt.

Wesentlich ist auch bei diesen Störungen das schon erwähnte System des Krankheitsgewinns:
primärer Krankheitsgewinn: durch die Krankheit kommt es zu einer psychischen Entlastung des Patienten, die psychosomatische Störung ist nicht so belastend wie der ursprüngliche Konflikt
sekundärer Krankheitsgewinn: Aus der Störung heraus entwickeln sich soziale/ökonomische Folgen, die positiven Charakter haben wie z.B. vermehrte Zuwendung und Aufmerksamkeit der Umwelt, Entlastung von Aufgaben, der Bezug einer Rente etc. Diese positiven Folgen stabilisieren die Störung.
Die Krankheit wird gepflegt und “unbewusst genossen”

Wie bei anderen psych. Störungen auch hat sich aber verstärkt auch bei den psychosomatischen, vor allem den somatoformen Beschwerden eine eher multifaktorielle Sichtweise durchgesetzt. D.h. neben den psychischen haben auch die biologischen und sozialen Umstände des Betroffenen unterschiedlich ausgeprägte Auswirkungen auf  den Ausbruch der Erkrankung und sind entsprechend zu berücksichtigen. Man spricht hier auch vom biopsychosozialem Krankheitsmodell. Mit anderen Worten: Es wäre zu einfach und auch im Einzelfall verletzend, psychosomatische Erkrankungen auf eine prüde Sauberkeitserziehung, belastende Lebensumstände oder eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur zurückzuführen. Vielmehr ist als ursächlich eine Verkettung zahlreicher ungünstiger, teils unbekannter Bedingungen anzusehen.

      Mögliche weitere Einflussfaktoren somatoformer Erkrankungen

-psychosoziale Faktoren\Kindheitserfahrungen:
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ungünstige Lebensumstände, mangelnde Fürsorge in der Kindheit, körperliche Gewalt, Alkohol in der Familie, extreme Überbehütung, soziale Benachteiligung können Nährboden für spätere Probleme sein.

-geschwächtes\überreagierendes Immunsystem:
ein durch evtl. schon vorhandene Krankheiten, mangelhafte Ernährung, biologisch/genetische Faktoren, Dauerbelastung, etc. geschwächtes oder aber auch überreagierendes Immunsystem macht den Körper anfälliger für Funktionsstörungen.

-genetische Prädisposition:
Es wurde in verschiedenen Studien eine familiäre Häufung somatoformer Störungen vor allem bei Verwandten 1. Grades festgestellt. Es könnte also eine genetischer Risikofaktor vorliegen. Möglich wäre hier aber auch -lerntheoretisch gesehen- ein induziertes Fehlverhalten. Durch Identifikation mit den Beschwerden einer nahestehenden Person wird das Symptom auf die eigene Person übertragen.

-”locus minoris resistentiae” Organminderwertigkeit:
Auch eine spezielle Anfälligkeit einzelner Organe für funktionelle Störungen durch Anlagefaktoren oder bereits frühere Erkrankungen könnte Risikofaktor sein oder aber zumindest für die Auswahl der betroffenen Organe mitverantwortlich sein.

-biologische Auffälligkeiten\interozeptiver Wahrnehmungsstil:
Biologische Abweichungen ohne Krankheitswert oder eine veränderte Körperwahrnehmung z.B. nach Unfällen oder überstandenen Krankheiten können zur Aufrechterhaltung somatoformer Störungen führen. Oftmals neigen Betroffene dazu, ihren Körper intensiver und in ängstlicher Erwartungshaltung zu “überwachen”

-physiologische Besonderheiten:
Auch individuelle physiol. Besonderheiten wie erhöhter Puls oder Atemfrequenz, Anfälligkeit für Muskelverspannungen (z.B.Nackenbereich), empfindliches Magen/Darmsystem, flache Atmung  etc. finden sich oftmals bei den Betroffenen und fördern durch ihre Auswirkungen das Gefühl einer körperlichen Erkrankung.

-kognitive Fehlbewertung:
Z.B. :Eigentlich harmlose körperliche Empfindungen oder Veränderungen werden als Anzeichen einer schweren Erkrankung gesehen. Es bestehen unrealistische Vorstellungen darüber, was “gesund” bedeutet und z.B. altersgemäss normale Beschwerden werden nicht als solche akzeptiert, sondern als persönlicher Schicksalsschlag bewertet. Die Möglichkeiten der modernen Medizin werden überschätzt und ihre Grenzen nicht akzeptiert. Belastungssituationen werden in ihrem Ausmass überbewertet, d.h. tatsächliche vorhandene Stressoren werden belastender bewertet als sie tatsächlich sind.

-Bei somatoformen Störungen besteht zudem  auffallend häufig ein histrionisches Persönlichkeitsmuster:  Bestimmte Persönlichkeitsstrukturen scheinen das Auftreten zumindest zu fördern. Dazu gehören insbesonders die histrionische (früher hysterisch) oder die asthenische Persönlichkeit.
Exkurs: Histrionische Persönlichkeitsstörung:
-überzogene Selbstdarstellung, theatralisches Verhalten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen
-leicht beeinflussbar z.B. durch Andere, Modeerscheinungen
-labile und oberflächliche Affektivität
narzistisches, egozentrisches und geltungsbedürftiges Verhalten
-zwischenmenschliche/gesellschaftliche Konflikte werden oft verdrängt und nicht erkannt, übertriebene Vertrauensseligkeit aber dann auch hohe Erwartungshaltung und rasche Kränkung, schnell begeisterungsfähig aber auch schneller Verlust des Interesses (an Aufgaben und Mitmenschen)
Exkurs: asthenische Persönlichkeitsstörung:
-kaum in der Lage, eigene Entscheidungen zu fällen, bei den meisten Entscheidungen wird an die Hilfe anderer appelliert oder ihnen diese überlassen
-Unterordnung der eigenen Bedürfnisse und mangelnde Bereitschaft zur Äusserung eigener Wünsche vor allem gegenüber Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht
-Angst vor dem Verlassenwerden oder dem Alleinsein
unverhältnismässige Nachgiebigkeit gegenüber Wünschen Anderer
-die Betroffenen fühlen sich inkompetent, hilflos und nicht leistungsfähig

Alexithymiekonzept:

Dieses Konzept geht davon aus, das bestimmte Persönlichkeitstypen vor allem für somatoforme Störungen anfällig sind. In diesem Zusammenhang wird auch von “emotionalem Analphabetentum” gesprochen. Vier Aspekte werden genannt
-Der Betroffene hat Schwierigkeiten, Gefühle zu benennen und auszudrücken.
-Sprache und Phantasie sind oft schlecht entwickelt, wenig einfallsreich und stereotyp. Es fehlt eine “innere Beteiligung” bei der Schilderung von Ereignissen.
-Das Autonomiebedürfnis ist gering ausgeprägt. Oft besteht ein klammerndes Abhängigkeitsverhältnis zum Partner.
-Das Durchsetzungsvermögen in Bezug auf eigene Bedürfnisse ist unterentwickelt, es besteht eine hohe soziale Angepasstheit.